Fachinformationsreise JapanPersönliche EindrückeDas Wirtschaftswunderland des ausklingenden 20. Jahrhunderts, unser bissiger Wettbewerber auf dem Gebiet der Autoproduktion, die Heimat gewichtiger Sumo-Ringer und gewaltiger Erdbeben. Das verbindet einen durchwachsen gebildeten Mitteleuropäer mit Japan, wenn ihn nicht gerade eine berufliche oder private Verbindung mit dem Land auszeichnet. So erging es auch mir. Auch auf dem Gebiet der Berufsbildung war mir Japan nur schemenhaft geläufig. Aus Gesprächen mit Kollegen und aus Berichten war mir bekannt, dass es eine dem deutschen System der Dualen Ausbildung nicht gibt. Wie machen die das, um trotzdem so erfolgreich zu sein? Diese Frage und noch viele weitere stellten sich mir und wurden während der Fachinformationsreise zumindest ansatzweise geklärt. Die zweiwöchige Studienreise war ausreichend, um durch eine Vielzahl von Eindrücken einen guten Überblick zu erhalten über
Der spezielle Aspekt der IT-Qualifizierung wurde bei den meisten Vorträgen und Besuchen einigermaßen berücksichtigt, entsprach jedoch nicht in vollem Umfang meinen Erwartungen. Hier bestand aber auch seitens der CDG die große Schwierigkeit, die Inhalte und Vorstellungen von IT im japanischen und im deutschen Verständnis aufeinander abzugleichen. Ich möchte meine Eindrücke in zwei Teilen darstellen und mich dabei auf die Nennung der für mich wichtigen Eckpunkte beschränken, um die umfassenden und kompetenten Ausführungen von Dr. Lapke nicht in Teilen zu wiederholen: 1. Berufsbildung in Japan 2. Organisation der Reise 1. Berufsbildung in JapanEin Duales Berufsbildungssystem wie wir es in Deutschland kennen, ist in Japan gänzlich unbekannt. Der Staat überlässt die Berufsqualifizierung tendenziell den Unternehmen. Diese bis dato recht bewährte Vorgehensweise geschieht bewusst, denn warum sollte sich der Staat darum bemühen, die berufliche Handlungskompetenz, die ein Unternehmen von einem Mitarbeiter benötigt, zu finanzieren? Das war sowohl den Unternehmen leicht klar zu machen (solange ein Mitarbeiter während seines gesamten Lebens für die Unternehmung tätig war) als auch der Gesellschaft (solange Angebot und Nachfrage von Arbeitsplätzen in einem gesunden Verhältnis standen) In beiden Aspekten befindet sich jedoch Japan in einem Wandlungsprozess: die Fluktuation steigt (teilweise sogar von den Unternehmen akzeleriert) und die Arbeitslosenrate befindet sich in einer für japanische Verhältnisse beunruhigenden Größenordnung. Darüber hinaus ändern sich auch andere Rahmenbedingungen, so dass das bewährte System des training on the job an manchen Punkten an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit stößt . Sowohl der Staat als auch der einzelne Mitarbeiter sind daher heute stärker als bisher gefordert, einen eigenen Beitrag für die Sicherstellung der Berufsfähigkeit / Handlungsfähigkeit zu gewährleisten. Dieser Prozess wird zudem in besonderen Maße durch die rasanten Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie beflügelt. Der Staat reagiert auf diese Herausforderungen mit unterschiedlichen Methoden und Institutionen. Eine wichtige Rolle nimmt dabei EHDO ein, die durch ihre Einrichtungen vornehmlich den Kleinunternehmen und dem Mittelstand auf dem Gebiet der Berufsqualifizierung Hilfestellung leistet. Hierbei bildet die Umschulung von Arbeitslosen, einschließlich der Weiterbildung im Bereich der IT, einen bedeutenden Schwerpunkt. Besonders herausgreifen möchte ich dabei den Ability Garden (Lifelong Human Resources Development Center) in Tokio. In Kooperation mit den Unternehmen und Unternehmensverbänden versteht man sich als Think Tank (Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Qualifizierung), Key Station (Beratung) und Network Center (Informationszentrale) insbesondere für Arbeitnehmer und Arbeitsuchende im kaufmännischen Bereich. Branchenspezifisch werden hier Fortbildungs- und Umschulungskurse für unterschiedliche Zielgruppen aus dem kaufmännischen Bereich entwickelt. Schwerpunkte der gegenwärtigen Arbeit bilden die IT Aktivitäten und das Distance Learning. Daneben erscheint mir die Rolle von JAVADA erwähnenswert. Eine der Hauptaufgaben dieser Institution ist die Konstruktion und Durchführung von standardisierten Prüfungen für spezielle, meist technisch-gewerbliche Tätigkeitscluster oder Handhabungen. Diese Handhabungen stellen jeweils ein Bündel von verwandten Tätigkeiten dar, also einen Teilausschnitt aus dem, was wir Beruf nennen. Derzeit existieren über 300 solcher Handhabungsprüfungen. Ziel dieses Prüfungssystems ist zum einen die Vergleichbarmachung der Leistungsniveaus unterschiedlicher Arbeitnehmer eines Tätigkeitsgebietes (Transparenz) und zum anderen die Motivierung der Arbeitnehmer (PE-Instrument). Die Anerkennung der Prüfungen in japanischen Unternehmen und bei den Mitarbeitern ist offensichtlich recht hoch. Gegenwärtig arbeitet man an der Erstellung von Prüfungen im kaufmännischen Bereich und für Leasingkräfte. Die Rolle der Unternehmen bleibt trotz gewisser Verschiebungen im Aufgabenspektrum innerhalb des Berufsbildungssystems eine immens wichtige. Das eigennützige aber leicht nachvollziehbare Ziel der Firmen ist es, die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter sicher zu stellen, so dass diese einen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten können. Dazu müssen Mitarbeiter für ihre Tätigkeit möglichst gut qualifiziert sein. In der Regel erfolgt dies über eine Kombination von mehrwöchigen Trainings-off-the-Job (Einführungsseminare) und mehrmonatige Trainings-on-the-job. Dieses Prinzip wird von jeder Unternehmung angewandt, wenn auch die Ausgestaltung und die zeiltiche Gliederung von Fall zu Fall unterschiedlich aussehen. Die meisten Unternehmen zeichnen sich dadurch aus, dass sie über hochentwickelte und komplexe Personalentwicklungssysteme verfügen, die teilweise durch professionelle EDV-Systeme unterstützt werden. Mich hat insbesondere beeindruckt, dass sich diese Systeme stark durch die einzelnen Mitarbeiter beeinflussen lassen. Das heißt, dass die einzelnen Mitarbeiter aufgrund ihrer eigenen Lebensplanung, ihrer Selbsteinschätzung und ihrer Leistungsbereitschaft ihren eigenen Entwicklungsplan und damit auch ihren Qualifizierungsplan (mit-)gestalten. Das gesamte Procedere zeichnet sich durch eine größtmögliche Transparenz aus, wie sie in Deutschland wahrscheinlich nie realisierbar wäre. Sehr überrascht, fast irritiert, war ich von dem Umbruch der sich bei Matsushita gegenwärtig vollzieht. Hier ist man zu der Erkenntnis gekommen, dass mit den klassischen Führungsinstrumenten und dem bisher gültigen Bild des idealen Mitarbeiters die gegenwärtigen Herausforderungen nicht gelöst werden können. Man geht dort konsequent einen neuen Weg: Aufbau eines Spezialistentums, streng leistungsabhängige Entgeltpolitik, bewusste Förderung von Fluktuation und eine strikte und blitzartige IT-Qualifizierung der Mitarbeiter seien hier nur beispielhaft erwähnt. Etwas enttäuscht bin ich darüber, dass hier viele Aspekte weniger aus den spezifischen japanischen Erfordernissen abgeleitet , sondern vielmehr aus dem US-amerikanischen System entnommen wurden. Die Problemstellungen auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologien scheinen in allen Unternehmen ähnlich zu sein und unterscheiden sich in vielen Punkten nicht von denen in Deutschland. Der Mangel an IT-Fachkräften, die fehlende Akzeptanz der EDV bei älteren Mitarbeitern und der rasante Wandel der Anforderungen an Mitarbeiter auf dem Gebiet der IT sind beispielhaft Probleme, mit denen sich die Unternehmen gegenwärtig mit Nachdruck beschäftigen. Dabei gehen sie oft eigene Wege, die im einzelnen in den Ausführungen von Herrn Dr. Lapke beschrieben werden. 2. Organisation der ReiseKann man in zwei Wochen das Berufsbildungssystem Japans und darüber hinaus auch Japan kennen lernen? Natürlich nicht. Das kann man nur ganz oberflächlich und selbst, wenn die Reise doppelt so lange gedauert hätte, wäre das nicht viel anders gewesen. Für mich war es trotzdem eine großartige Gelegenheit, im Groben den Vergleich zwischen den beiden Ländern zu schaffen und zu sehen, wie die Unternehmen, der Staat und die Mitarbeiter selbst die Qualifizierung für eine berufliche Tätigkeit managen. Dazu hat die intensive Vorbereitung auf die Reise während des zweitägigen Seminars in Köln einen wesentlichen Beitrag geleistet. Dadurch war es möglich, sehr schnell Gehörtes und Gesehenes in Japan in einen richtigen Kontext zu bringen und Schlussfolgerungen zu ziehen. Ich würde auf die Vorbereitung nicht verzichten, jedoch überlegen, welche Teile davon auch web-based vermittelt werden könnten. Neben reiner Informationsvermittlung könnte ich mir auch einen expert chat room und einen Erfahrungsaustausch mit früheren Teilnehmern vorstellen. Zum Gelingen der Reise hat zudem die geschickte Zusammenstellung der Gruppe beigetragen. Diese zeichnete sich durch eine große Homogenität und durch ein ausgesprochenes Maß an Involvement aus. Die Organisation im engeren Sinne, nämlich die Koordination der Reise, die Auswahl der besuchten Organisationen und Unternehmen, die Unterbringung und der Transport, waren ausgezeichnet. Die Betreuung vor Ort durch die Mitarbeiter der NCDG, durch den Reiseführer und den Tutor gebührt ein besonderes Lob. Insbesondere die nicht immer einfache Aufgabe von Herrn Shimokawa, der mit seinem durch eindeutige Gestik untermauerten Hinweis: Zwei Stationen und dann umsteigen! in meine Zitatensammlung eingegangen ist und zudem verhindert hat, dass noch mehr Teilnehmer unserer Gruppe im Dschungel der Großstadt zeitweilig verloren gegangen sind. Das ausgewogene Kulturprogramm war eine gelungene Abwechslung zum fachspezifischen Teil des IFKA und hat die gesamte Informationsreise in besonderer Weise abgerundet. Um Politik, Wirtschaft oder Bildungssystem eines Landes zu verstehen braucht man auch kulturelle Hintergründe und darum empfinde ich diesen Teil der Studienreise als unverzichtbar. Inwiefern die Erfahrungen aus der Reise in der täglichen Berufspraxis Niederschlag finden, muss sich heraus stellen. Es sollte nicht unser Ziel sein, die Konzepte und Vorgehensweisen der Japaner zu kopieren. Vielmehr sollte die Reise wertvolle Hilfe geben, das was wir tun aus einer anderen Perspektive beurteilen zu können und einige neue Ideen in unsere Tätigkeiten einzubringen. Dazu hat der IFKA 2000 aus meiner Sicht einen ganz erheblichen Beitrag geleistet, den ich nicht hoch genug einschätzen kann. Peter Johann |
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