Fachinformationsreise JapanDer Umbruch der Bildung als DienstleistungEinige für uns erkennbare Veränderungsschritte in der Berufsbildung in Japan
Ziel unserer Reise war das Kennenlernen des japanischen Systems der Berufsbildung, speziell in der IT-Branche , und weiterhin in der Kürze des Aufenthaltes, Einblicke in das japanische Wirtschaftssystem und der japanischen Kultur zur erhalten. Unsere Reise führte uns in die Städte Tokio, Kyoto und Hiroshima. Dort besuchten wir neben den kulturellen Stätten auch Unternehmen und staatliche Einrichtungen, die sich mit der Bildung in Japan beschäftigten. Schnell wurde uns bewusst, dass das japanische Berufsausbildungssystem nicht mit dem deutschen dualen System zu vergleichen ist. In Japan dominiert die innerbetriebliche Berufsausbildung in den privaten Unternehmen. Unter der beruflichen Bildung in Japan versteht man die Ausbildung sowie Weiterbildung und ist aus der Tradition heraus, Aufgabe der Betriebe. Bevor es jedoch soweit ist, durchlaufen die Schüler allgemeinbildende Oberschulen und Universitäten, diese in der Gegenwart in steigendem Maße. Während unseres Aufenthaltes haben wir als Gruppe schnell erkannt, dass gerade in der Vergangenheit die Abgängerzeugnisse unbedeutend waren. Das ergibt sich aus dem streng formalisierten japanischen Bewerbungssystem. Lange vor dem offiziellen Einstellungstermin im April signalisieren die Unternehmen ihren Hochschulen, wie viele Absolventen sie übernehmen werden. Wer interessiert ist, erhält von der Uni ein Empfehlungsschreiben die Leistung war eher irrelevant. Dieser Eindruck trügt nicht, denn japanische Unternehmen verlangten von ihren neuen Mitarbeitern alles nur kein fachliches Vorwissen. Kompetenzen, wie Fleiss, Einsatzbereitschaft, Teamfähigkeit und soziale Qualifikationen standen im Vordergrund, nicht aber das fachliche Spezialwissen. Für die neuen Mitarbeiter sprang als Belohnung die lebenslange Anstellung in ein- und demselben Unternehmen heraus. Und das ist auch heute noch bei der Mehrzahl der Japaner ein wichtiges Ziel. Doch es war bei unseren Besuchen in einigen Unternehmen schon zu erkennen, dass sich die Bildungssituation ändert und in Zukunft noch größere Veränderungen vollziehen werden, bedingt auch auf Grund der zur Zeit schlechten wirtschaftlichen Situation. Es wird langsam versucht, von der Tradition der bisherigen Einstellungspraxis abzuweichen, denn die ersten Betriebe achten schon heute bei den Einstellungen mehr und mehr auf fachliche Spezialisierungen. Man scheint allmählich zu erkennen, dass nicht jeder Mitarbeiter zum Manager geeignet ist und Spezialisten ebenfalls Karriereperspektiven bekommen müssen. Die Absolventen werden in allen Unternehmen systematisch an die Firmenphilosophie heran geführt. Einführungsseminare beschäftigen sich hauptsächlich mit der Entwicklungsgeschichte des Unternehmens, der Produktpalette, des Kundenkreises und der Qualitätsphilosophie. Im Anschluss folgt das lebenslange Lernen, das heißt, das alle Mitarbeiter in gewissen Zeitabständen Tests unterzogen werden. Im Ergebnis dieser Tests wird der Weiterbildungsbedarf jedes Mitarbeiters abgeleitet, im Vordergrund steht dabei das Interesse der Firma. Die persönlichen Interessen und Neigungen der Mitarbeiter sind zweitrangig. In Großunternehmen werden diese Tests und Schulungen von eigenen Personalabteilungen erarbeitet, durchgeführt und ausgewertet. Ergebnisse sind in betriebsinternen Datenbanken gespeichert und für alle Gruppenleiter und Manager zugänglich. Hieraus wird die notwendige Personalplanung des Unternehmens abgeleitet. In Klein- und Mittelständischen Unternehmen (KMU) gibt es solche Personalabteilungen in diesem Umfang nicht. Man bedient sich der Hilfen, die von geschaffenen Einrichtungen des japanischen Arbeitsministerium (MOL), bereitgestellt werden. Eine wichtige Institution hierbei ist JAVADA (Japan Vocational Ability Development Association). Sie entwickelt Leistungsprüfungen, die gleichzusetzen sind mit einem staatlichen Prüfsystem, das die Fähigkeit des einzelnen Arbeitnehmers nach einem einheitlichen Maßstab prüft und diese dann öffentlich anerkennt. Das Ziel der Leistungsprüfung ist es, bei den Mitarbeitern die Freude und den Willen des Erlernen der benötigten Fähigkeiten zu steigern und gleichzeitig die gesellschaftliche Anerkennung zu erhöhen. Dadurch soll das Fachwissen und die gesellschaftliche Position des Arbeitnehmers gesteigert werden und letztendlich zur industriellen Entwicklung Japans beitragen. Wurde in der Vergangenheit nur auf den Kreis der gewerblich-technischen Mitarbeiter Bezug genommen, wird derzeit intensiv an eine Umsetzung im kaufmännischen Sektor gearbeitet. Auch hier hat man erkannt, dass bestimmte fachliche Kompetenzen unbedingt notwendig sind, um den neuesten wirtschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden. Das ganze System der Leistungsprüfung ist in etwa gleichzusetzen mit den derzeitigen Diskussionen in Deutschland, für einen bestimmten Personenkreis und für bestimmte Tätigkeiten eine modulare Ausbildung anzuwenden. Zur Durchführung von Schulungsmaßnahmen wurde vom japanischen Arbeitsministerium gerade für die KMU, die Institution EHDO (Employment and Human Resources Development Organization of Japan) geschaffen. Sie bildet ein Netzwerk in ganz Japan und hat mehrere Einrichtungen und Funktionen zu erfüllen, wie z.B. die Durchführung von Basistrainingsseminaren, Ausbildung der Ausbilder, Existensgründerseminare u. a. Wir mussten aber feststellen, dass viele dieser Einrichtungen nicht so von der Wirtschaft angenommen werden, wie ursprünglich angedacht. Ursache ist aus unserer Sicht, dass die Bedürfnisse der Wirtschaft zu wenig in die traditionellen Strukturen dieser Einrichtungen integriert werden. Eine positive Entwicklung im Bezug der Zusammenarbeit mit Unternehmen, zeigte aus unserer Sicht, das Polytec Center Kansai. Diese Einrichtung wurde 1980, mit dem Ziel der Weiterbildung für die gegenwärtig Beschäftigten, gegründet. Seit den Jahren 1991/92 setzte aber die wirtschaftliche Flaute ein und man begann ab 1995 parallel zur Weiterbildung der Beschäftigten, die Umschulung von Arbeitslosen. Die Arbeitslosenquote nahm auch in Japan eine steigende Entwicklung (derzeit 4,9%) und wurde als Problem erkannt. Insgesamt sind in dieser Einrichtung 58 Mitarbeiter, davon 43 Ausbilder. 4 Ausbilder bewältigen ca. 10 Kurse. Neuerdings werden auch viele Zeitdozenten, gerade bei Existenzgründerseminaren herangezogen, denn die fachliche Kompetenz kann auch nur von Fachleuten gelehrt werden. Die Finanzierung dieser Einrichtung erfolgt so, dass die Personalkosten von den Dozenten vom Arbeitsministerium übernommen werden, (entnommen aus dem Arbeitgeberbeitrag für die Arbeitslosenversicherung), nur die Sachkosten wie Miete, Wasser, Strom u.ä. müssen selbst von der Einrichtung getragen werden. 1. Feld: Weiterbildung der gegenwärtig Beschäftigten
Neben den 54 Standardangeboten für gewerblich technische Mitarbeiter, werden in jüngster Zeit immer mehr für KMU zugeschnittene Lehrgänge (ca.50-100 pro Jahr) angeboten. Diese Wunschangebote sind maßgeschneidert für KMU der Region und erfreuen sich immer größerem Zuspruch in den letzten 3 Jahren. Man kommt der Wirtschaft entgegen, d.h. die Bildung wird in diesem Fall als Dienstleistung für die KMU verstanden. Manager von kleinen und mittleren Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe kommen zum Beispiel mit dem Problem, dass von den Arbeitnehmern zu viel Ausschuss gefahren wird. Der Bildungsträger übernimmt dann eine Beratungsfunktion und ermittelt gemeinsam mit den Unternehmen eine Personalqualifizierungsstrategie, der einer Schulung betrieblichen Bedürfnissen entsprechend, anschließt. Die Ergebnisse werden den Geschäftsführern der Unternehmen von den Teilnehmern präsentiert. Die Beratungsdienste des Bildungsträgers sind in diesem Fall kostenlos. Gerade in der IT-Branche wird dieses Angebot gut angenommen, so dass dieser Bildungsträger bestimmte Kurse an den Sonntagen bzw. in den Nachtstunden verlegen muss. 2. Feld: Umschulung für gegenwärtig ArbeitsloseIn diesen Schulungen geht es um den Sinn von Handhabungen und die Anwendung dieser. Es gibt Kurse von 6 Monate und 1 Jahr, (für Arbeiter 3 Kurse, für Angestellte 2 Kurse). Auch in diesen Maßnahmen sind die Kurse der Informationstechnik am beliebtesten. Ca. 80 Teilnehmer befinden sich pro Jahr in 4 Kursen. Diese Kurse sind ebenfalls mit den Unternehmen der Region vom Inhalt her ausgearbeitet worden. Man hat also auch hier erkannt, dass ein großes Zukunftsfeld in der IT-Branche zu finden ist und die betrieblichen Belange von Anfang an berücksichtigt werden müssen. Viel Engagement wird in Japan, gerade in der letzten Zeit, auch bei der Hilfe von Exitenzgründungen gezeigt. Neben der Übernahme der Kosten für Existenzgründerseminare durch das Arbeitsministerium, gibt es im Anschluss, ähnlich in Deutschland, Existenzförderprogramme, Lohnkostenzuschuss für Arbeitnehmer u. a. Resultierend aus den Erkenntnissen beim Besuch dieser Einrichtung, war zu erkennen, dass viele der aufgezeigten Bemühungen und Tätigkeitsfelder ähnlich und in noch größerem Maße, auch in deutschen Bildungseinrichtungen in den letzten Jahren zu verzeichnen sind. Denn auch in Deutschland hat man erkannt, dass Bildung eine Dienstleistung für die Unternehmen sein muss. Nur auf diesem Wege wird es in Zukunft gelingen, entsprechenden kompetenten fachlichen Nachwuchs, der von Wirtschaft gefordert wird, heranzubilden bzw. in der Beschäftigung oder aus der Arbeitslosigkeit heraus, betriebsspezifisch weiterzubilden. Gerd Poloski |
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